Herstellung der bergedorfer Freimarken

 

Vielen Philatelisten ist die Tatsache bekannt, dass die Bergedorfer Briefmarken im Steindruck hergestellt wurden. Dieses Druckverfahren wird auch heute noch genutzt, meist zu künstlerischen Zwecken. Im 19ten Jahrhundert wurde der Steindruck weit häufiger im "technischen" Umfeld eingesetzt. So wurden neben Briefmarken z.B. Landkarten und Schriftstücke, die in geringer Auflagen gebraucht wurden, im Steindruck hergestellt. Beispielhaft sei der Drucksteinkeller des Bayerischen Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung mit über 26.000 Drucksteinen erwähnt. Auch der Postvertrag zwischen Frankreich und der Thurn und Taxisschen Reichspost wurde im Steindruckverfahren vervielfacht.

Steinkeller
Drucksteine in Schwerregalen [BVv]
 
Postvertrag Fr-TUT 1801
Postvertrag Frankreich - Thurn & Taxis im Steindruck [TuTHb]

 

Der Urstein

Als Urstein wird der Druckstein bezeichnet, auf dem die Zeichnungen der originalen Markenbilder aufgebracht sind. Die Zeichnung wird mit einer lithographischen Tusche aufgebracht, diese ist fettfreundlich und wasserabweisend. Eine gute Darstellung zum Steindruckverfahren, das auch Lithografie genannt wird, findet man bei Wikipedia im Artikel „Lithografie“. Es folgen noch weitere Arbeitsschritte am Druckstein, bevor von ihm gedruckt werden kann, diese sind im benannten Artikel ebenfalls gut beschrieben. Wer es ganz genau wissen will besorgt sich das Buch "Handbuch der Lithographie und des Steindruckes“ [FriG] herausgegeben von Georg Fritz.

 
Urstein Aufsicht
Der Urstein - Breite 29cm, Höhe 23cm, Dicke 6cm, Gewicht knapp 8 Kilogramm

 

Der Urstein zeigt neben den 5 bekannten Markenbildern der Bergedorfer Freimarken eine begonnene Zeichnung einer Marke mit dem Kettenringkreis und eine neue 4 Schilling Marke. Diese Marke ging nicht in den Druck, lediglich J-B. Moens hat davon verschiedene Abzüge herstellen lassen, die er als Essays bezeichnet und verkauft hat.

 

Die Bergedorfer Freimarken wurden im Lithographischen Institut von Charles Fuchs in Hamburg hergestellt. Nach dem Druck der Marken wurde der Urstein an die Beiderstädtische Post übergeben. Zum Ende der eigenständigen Post zum 31.12.1867 ging der Stein zusammen mit den Restbeständen der Freimarken an den belgischen Philatelisten und Briefmarkenhändler Jean-Baptiste Moens. Ihm „verdanken“ wir neben den bekannten Nachdrucken auch wenige Abzüge vom kompletten Urstein, die in hervorragender Qualität hergestellt wurden. Vom Urdruckstein kann also direkt gedruckt werden.

 Abzug vom Urstein

Abzug vom Urstein ́

 

Beim Steindruck wird die fettfreundliche und wasserabweisende Druckfarbe mit einer Rolle auf den Druckstein aufgebracht. Als Ergebnis trägt der Druckstein auf der Oberfläche an den Stellen, an denen die Zeichnung aufgebracht wurde Druckfarbe, an den Stellen, an denen keine Zeichnung vorhanden ist, keine Druckfarbe. Wird auf den so präparierten Druckstein ein Papier aufgelegt, kann in einer Druckpresse die Farbe vom Druckstein auf das Papier übertragen werden. Ein Druck, auch Abzug genannt, vom Druckstein ist entstanden.

Moens versah den Urstein noch mit einer Widmung für das Reichspostmuseum, sie lautet „ Au Musée Imperial postal de Berlin / J B Moens / Bruxelles, Décembre 1894.“. Moens wollte den Stein dem Reichpostmuseum schenken, letzteres lehnte ab und hat de Stein gekauft. (Ich bin mir sicher, dass ich das in einer glaubhaften Quelle so gelesen habe, kann die Quelle dazu aktuell aber nicht angeben.)

 

Der Umdruckstein

Vom Urstein zu den fertig gedruckten Markenbögen sind noch einige Arbeitsschritte nötig. Zunächst wurden von jedem Markenbild einzeln auf speziellem Umdruckpapier mit einer speziellen Umdruckfarbe Abzüge hergestellt. Diese Abzüge wurden in Gruppen zu 12 (für die Werte zu ½ Schilling und 1½ Schilling), 10 (für die Werte zu 1 Schilling und 3 Schillinge) und 8 (für den Wert zu 4 Schillinge) zusammengestellt und auf einen zweiten Druckstein übertragen. Dieser zweite Druckstein wird Umdruckstein genannt, die einzelnen Gruppen werden als Umdruckblöcke bezeichnet. Bei den letzten beiden Arbeitsschritten wurden Korrekturen an den Zeichnungen vorgenommen. Diese Korrekturen können am Umdruckpapier oder auf dem Umdruckstein selbst vorgenommen werden. Von den Umdruckblöcken wurden wieder Probeabzüge erstellt, die heute bekannten Farbprobedrucke.

Betrachten wir den Abschnitt des Abzugs der 1½ Schilling Marke, so ist eine Retusche, die auf dem Umdruckpapier vorgenommen wurde besonders gut zu erkennen. Aus der Währungsbezeichnung ´SCHILLINGE´ ist die Bezeichnung ´SCHILLING´ geworden.

 

 

Auschnitt vomUrsteinabzug

Bildausschnitt vom Abzug 
vom Urstein 

 Farbprobedruck

Farbprobedruck vom Umdruckstein
 

 Ausschnitt vom Farbprobedruck

Feld 5 vom Farbprobedruck
 

 

Auf jedem Umdruckpapier wurde der Bereich der Währungsbezeichnung herausgeschnitten, das ´E´ abgetrennt und mit neuer Bezeichnung auf den Umdruckstein übertragen. In der Vergrößerung ist gut erkennbar, dass diese Retusche an jedem Wert des Umdruckblocks individuell vorgenommen wurde. Weitere Retuschen sind gut bei den Ziffern zu erkennen, die auf dem Urstein meist schlecht ausgeführt sind.

 

Die Drucksteine

Im nächsten Herstellungsschritt wurden von den Umdruckblöcken wieder Abzüge auf Umdruckpapier hergestellt. Diese Abzüge wurden auf die endgültigen Drucksteine übertragen, von diesen wurden die Markenbögen gedruckt. Die Anordnung der Umdruckblöcke führte zu folgenden Druckbögen:

Bgd Bogenschema der 1a
Bogenschema der 1a [HoKra]
Bogen Bgd 1a
Bogen der 1a, ex. Boker [HKWi]
Bgd Bogenschema der 1b
Bogenschema der 1b [HoKra]

 

Bogen Bgd 1b
Bogen der 1b, ex. Boker [HKWi]
Bgd Bogenschema der 2
Bogenschema der 2 [HoKra]

 

Bogen Bgd 2
Bogen der 2, ex. Boker [HKWi]
Bgd Bogenschema der 3
Bogenschema der 3 [HoKra]
Bogen Bgd 3
Bogen der 3, ex. Boker [HKWi]
Bgd Bogenschema der 4
Bogenschema der 4 [HoKra]
Bogen Bgd 4
Bogen der 4, ex. Boker [HKWi]
Bgd Bogenschema der 5
Bogenschema der 5 [HoKra]
Bogen Bgd 5
Bogen der 5, ex. Boker [HKWi]

 

 Es sei bemerkt, dass die Moensschen Nachdrucke alle Merkmale des Ursteins zeigen. Sie wurden also nicht vom Umdruckstein oder von den originalen Drucksteinen hergestellt. Aus diesem Grund nenne ich sie auch nicht Neudrucke, denn dazu hätten sie von den originalen Drucksteinen hergestellt werden müssen. 

 

Zusammengefasst ergeben sich folgende Schritte bei der Herstellung der Bergedorfer Freimarken:

 

 1.Von jeder Wertstufe der Freimarken wird eine Zeichnung auf einem Druckstein, dem Urstein, hergestellt
 2.Auf Umdruckpapier werden von jeder dieser Zeichnungen mehrere Abzüge (8, 10 oder 12) erstellt, Retuschen auf dem Umdruckpapier waren möglich
 3.Die Umdruckpapiere werden auf den Umdruckstein übertragen, dabei entstehen je Wertstufe die Umdruckblöcke von 8, 10 oder 12 Marken, Retuschen auf dem Umdruckstein waren möglich
 4.Vom Umdruckstein werden die Umdruckblöcke wieder einzeln auf Umdruckpapier übertragen, je Wertstufe soviele Abzüge, wie auf die endgültigen Drucksteine übertragen werden sollen. Z.B. von der 3 Schillinge Marke 16 Umdruckpapiere
 5.Die Umdruckblöcke werden vom Umdruckpapier auf die endgültigen Drucksteine übertragen; bei einigen Wertstufen werden zusätzliche einzelne Umdrucke vom Umdruckstein hinzugefügt
 6.Von den Drucksteinen werden die Markenbögen gedruckt

 

Bei jedem dieser Herstellungsschritte ergeben sich verfahrensbedingt kleine Abweichungen, die sich im Bild der weiteren Stufen fortpflanzen. In der Regel kann einer Bergedorfmarke dadurch eine Position im Umdruckblock zugewiesen werden, oft auch eine Position im kompletten Druckbogen. Da die Umdruckblöcke der hellen und der dunklen Variante der Marke zu ½ Schilling die gleichen Merkmale aufzeigen, wurden auch beide Varianten vom selben Umdruckblock gedruckt. Jedoch wurden für jede Variante ein eigener Druckstein erstellt, die Blöcke der Marke 1b, also der dunklen Variante wurden besser auf dem Druckstein ausgerichtet.